Herr Leyh, gerade laufen die ersten zwei Wochen Ihrer Elternzeit mit der jüngsten Tochter – wie ist der Job als Vollzeitvater?
Tatsächlich ist es gar nicht so einfach, einen Tag mit Kind so zu organisieren, dass man sich nicht irgendwann gegenseitig auf die Nerven geht. Ich habe da größte Hochachtung vor allen Müttern, die das oft unbeachtet jahrelang bewältigen. Für mich ist extrem wichtig, dass meine Partnerin nicht nur die Mutterrolle ausfüllen kann, sondern auch die Möglichkeit hat, sich beruflich weiter zu entwickeln. Im Moment verlässt sie morgens das Haus zu ihrer Probe am Theater, und ich bleibe daheim mit unserem Kind, Kochen und Haushalt – das volle Programm.
… und hoffen, dass die zwei Monate bald herum sind?
Nein, ganz im Gegenteil. Für mich ist es total faszinierend zu sehen, wie sich unser Tochter entwickelt. Wenn ich beruflich unterwegs bin, erlebe ich sie ja nur stundenweise. Im Sommer konnte ich meine Rolle daheim bereits verstärkt ausfüllen, und meine Partnerin mehr Zeit für sich genießen. Das hat wiederum unserer Beziehung gut getan. Die Geburt meiner jüngsten Tochter hat mir einmal mehr gezeigt, dass ein Kind wie ein Katalysator alle Ereignisse danach filtert, was wirklich wichtig ist. Ich lerne durch sie wieder mehr Achtsamkeit und vor allem, den Moment zu genießen.
Gilt das auch für die Momente beim Kochen, Einkaufen und Küche putzen?
Lustigerweise ist der Haushalt sowieso eher mein Job. Meine Mutter war Hauswirtschaftslehrerin und hat mir da viel Wissen und Kompetenz mitgegeben. Ich hab schon im Studium lieber selbst gekocht, als zu McDonald’s zu gehen. Inzwischen koche ich am liebsten vegetarisch oder auch vegan – da bin ich gerade am Ausprobieren. Unsere Ernährung ist aber breit aufgestellt: Dank meiner Oma habe ich eine persönliche Leidenschaft für leckere Bratwürste.
Bei welchen Punkten ist es dann schwierig?
Dadurch, dass wir beide Künstler sind, haben wir schon eine besondere Situation. Trotzdem ist es auch für uns wie für jedes berufstätige Elternpaar eine Herausforderung. Mit unserer jetzigen Aufteilung leben wir ein partnerschaftliches Modell und versuchen auf Augenhöhe zu agieren. Das erfordert viele Kompromisse und Diskussionen, z.B. wie die vorhandene Zeit aufgeteilt wird. Darüber schwebt stets die Frage „Wessen berufliches Engagement ist am jeweiligen Tag wichtiger und wer ist in dieser Zeit für unsere Tochter da?“ Ich beneide meine Partnerin um ihre festen Probenverpflichtungen, die nicht zu diskutieren sind. Aber auch für mich als Freiberufler ist meine Übungszeit an den Instrumenten ein wichtiger Teil meiner Arbeit und kein Freizeitvergnügen.
Wie reagierten Ihre Kollegen auf die Ankündigung der Elternzeit?
Da gab es kaum Reaktionen, weil die meisten meiner Musikerkollegen auch ganz selbstverständlich ihre Elternzeit nehmen, oft sogar viel länger als ich. Einer von ihnen ist z.B. Professor an einer Musikhochschule und hat dafür seine Professur halbiert – und das jetzt schon beim zweiten Kind. Auch bei meiner Tätigkeit für die Städtische Musikschule Bamberg waren alle dafür, mir das zu ermöglichen – obwohl es mit viel organisatorischem Aufwand verbunden ist. Vom Chef bekam ich volle Unterstützung, und diese positive Haltung des Vorgesetzten ist unschätzbar wichtig, sonst funktioniert es nicht. Das Gegenbeispiel habe ich im Frühjahr erlebt: Eine Institution, für die ich seit fünfzwanzig Jahren durchgehend freiberuflich tätig war, hat mir wegen meiner Elternzeit-Ankündigung die Zusammenarbeit aufgekündigt. Das war eine bittere Erfahrung.
Hat Sie das in Ihrer Entscheidung verunsichert?
Nein, für mich ist die Zeit mit meinen Kindern eine wertvolle Zeit. Was ich darin mit ihnen erlebe, kann ich in meinem Leben nie mehr nachholen. Ein Kind lehrt uns, im Jetzt zu sein. Ich übe gerade noch, diese entspannte Haltung auch zuzulassen. Zum Beispiel beim Zusammensein auf dem Spielplatz: das kann ich viel mehr genießen, wenn ich es als das annehme, was gerade wichtig ist, statt gedanklich ständig um den Job zu kreisen. Dadurch bin ich bei Kleinigkeiten, die mich früher aufgeregt haben, viel entspannter: Ich weiß, dass sich solche Dinge im Vergleich zu der Herausforderung „Kind“ viel leichter lösen lassen.
Ein Beispiel?
Wenn wir bei Konzerten die Technik aufbauen, und es läuft nicht alles rund. Dann gibt es z.B. Diskussionen, ob ein Kabel rechts oder links um die Bühne verlegt wird. So was hat mich früher nervös gemacht, jetzt hat es kaum noch Belang. Ein Kabel, das beim Auftritt im Weg liegt, kann ich zur Seite schieben. Ein Kind und seine Bedürfnisse im jeweiligen Moment aber nicht.
Also mögen Sie tatsächlich lieber Windeln wechseln als öfter auf der Bühne zu stehen?
Es ist unglaublich cool, als Künstler arbeiten zu können, tolle Dinge zu erleben und damit auch noch Geld zu verdienen. Letztlich zählt aber in der Summe des Lebens für mich nur, ob ein Tag gut oder schlecht war – egal, was ich an ihm gemacht habe. Die entscheidende Frage ist für mich: Wie schaffe ich es, möglichst jeden Tag gut zu verbringen? Meine Erkenntnis ist, dass ich die meisten guten Tage in meiner Familie erlebe. Deshalb ist die Zeit mit meiner Partnerin und meinen Kindern die wichtigste für mich. Kerstin Bönisch
Joachim Leyh, 48 Jahre, Vater von drei Kindern, arbeitet als freiberuflicher Schlagzeuger und Lehrer an der Städtischen Musikschule Bamberg. Er studierte Musik am Berklee College of Music in Boston und absolviert jährlich mehr als 150 Auftritte in ganz Deutschland. Im Herbst gestaltet er zum wiederholten Mal als stellvertretender Musikalischer Leiter das jährliche Showfestival „Palazzo Nürnberg“ von Alexander Herrmann mit, bei dem er auch auf der Bühne zu erleben ist.