Die Konzentrationsfähigkeit bildet den Schlüssel für erfolgreiches Lernen. Doch bei mehr als 50 % aller Grundschulkinder werden Konzentrationsmängel beklagt, und auch in weiterführenden Schulen ist mehr als jedes dritte Kind davon betroffen.
Nahezu alle Eltern fordern bei den Hausaufgaben immer wieder Aufmerksamkeit ein, doch Mahnungen helfen nicht. Dafür gibt es (mindestens) einen guten Grund: Parallel zur nachlassenden Konzentration sinkt nämlich der Blutdruck ab. Sicher kennen Sie dieses Gefühl aus eigener Erfahrung. Vielleicht legen Sie dann die Füße hoch und trinken einen Kaffee oder gar ein Gläschen Sekt. Mit einem „Jetzt reiß’ dich doch mal zusammen!“ jedenfalls kommt Ihr Kreislauf kaum wieder in Schwung – und der Ihres Kindes gleichfalls nicht.
Aufmerksamkeit ist Leistung
Wie kommt es zu diesem Blutdruck-Abfall? Wenn wir uns konzentrieren, richten wir unsere Aufmerksamkeit willentlich voll und ganz auf die Aktivität, um die es gerade geht. Gleichzeitig schalten wir alle äußeren (z.B. Geräusche) und inneren Reize (z.B. Gedanken) aus, die uns dabei stören. Das ist eine Leistung unseres Organismus, die ein erhebliches Maß an Energie verbraucht, so dass wir nach einer gewissen Zeitspanne ermüden – der „innere Akku“ verliert relativ rasch an Spannung. Die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne von Schulkindern beträgt etwa
• 15 Minuten bei 5- bis 7-Jährigen,
• 20 Minuten bei 8- bis 9-Jährigen,
• 25 Minuten bei 10- bis 12-Jährigen und
• 30 Minuten bei Älteren.
Spaß schafft Konzentration
Die Konzentration beim Lernen war schon immer ein Problembereich. Mindestens die Hälfte aller Kinder hat Schwierigkeiten, beim Erledigen der Aufgaben stets genügend Aufmerksamkeit aufzubringen. Aber sicher haben Sie schon bemerkt, dass es Lernbereiche gibt, in denen Ihr Kind sich besser konzentrieren kann als in anderen. Das ist ganz normal. Sogar Kinder mit massiven Aufmerksamkeitsproblemen haben Bereiche, in denen das Lernen gut klappt. Wenn die jeweilige Aktivität Spaß bereitet, gibt es kein Konzentrationsproblem. Sogar Kinder mit einem „Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom“ (ADS oder ADHS, wenn auch Hyperaktivität im Spiel ist) können Aufmerksamkeit aufbringen für alles, was ihnen Freude macht. Stress, der für manche Kinder verstärkt beispielsweise mit dem Rechtschreiben oder den Textaufgaben in Mathematik verbunden ist, verkürzt dagegen die Aufmerksamkeitsspanne erheblich. Dann ist der „Akku“ ladebedürftig.
Clevere Pausenstrategien
Darum ist eine clevere Pausenstrategie das Mittel der Wahl, um erfolgreich für die Schule zu arbeiten. Dazu gehört Bewegung, denn nur die hält unseren Blutdruck auf Aktivitätsniveau. Wenn das Kind alle fünf Minuten eine bewegte Mini-Pause von einer Minute einlegt, kann es eine halbe Stunde lang mit insgesamt deutlich höherer Arbeitsleistung verbringen. Es braucht dazu nur eine Stopp-, Küchen- oder Sanduhr, um die Minute nicht zu überschreiten.
Manche Kinder benötigen bei manchen Aufgaben alle zwei Minuten eine Minutenpause, andere nur alle zehn oder sogar fünfzehn Minuten – das muss man einfach ausprobieren. Wenn Ihnen die Konzentration Ihres Kindes nicht optimal erscheint, dann probieren Sie diese Minipausen nicht nur einmal aus, sondern veranlassen Sie Ihr Kind mehrere Tage nacheinander dazu, sie immer wieder zwischendurch einzulegen, damit es sich daran gewöhnt. Warten Sie auch nicht, bis Ihr Kind nicht mehr kann, sondern lassen Sie es pausieren, während das Arbeiten noch gut läuft. Bei Erschöpfung reicht nämlich eine Minipause nicht mehr aus.
Bewegungsübungen für Minipausen:
• Setze dich auf einen normalen Stuhl mit vier Beinen. Hebe deine Füße an und drücke sie von innen so fest gegen die vorderen Stuhlbeine, wie du nur kannst. Zähle im Stillen bis zehn und atme dabei locker weiter.
• Stelle nun die Füße kurz ab, um auszuruhen. Hebe sie dann wieder an und drücke sie von außen ganz fest gegen die Stuhlbeine. Wieder locker weiteratmen und im Stillen bis zehn zählen.
• Setze dich bequem und verhake die Hände mit gekrümmten Fingern vor deiner Brust. Ziehe sie auseinander, so fest du kannst, aber lasse nicht los. Atme dabei locker weiter und zähle im Stillen bis zehn.
• Schüttle die Arme zur Lockerung kurz aus, dann press die beiden Handballen vor deiner Brust so fest gegeneinander, wie es nur geht. Wieder locker weiteratmen und im Stillen bis zehn zählen.
Die folgenden Bewegungsübungen kann man auch miteinander kombinieren:
• Strecke sitzend die Beine in die Luft und lasse die Füße kreisen: zehnmal rechts herum, dann links herum, dann in entgegengesetzte Richtungen.
• Boxe mit beiden Fäusten ein paarmal seitwärts und vorwärts in die Luft.
• Recke die Arme in die Höhe und stelle dir vor, du versuchst mit beiden Händen abwechselnd nach Äpfeln zu greifen, die ganz oben in einem Baum hängen.
Sicher fallen Ihrem Kind selbst noch weitere lustige Bewegungsmöglichkeiten ein. Wichtig ist nur, dass die Pause nach einer Minute konsequent beendet wird, denn sonst verliert man die Zeitersparnis, die sich nur bei Mini-Pausen ergibt.
Nach einer halben Stunde lernen sollte dann eine Fünf-Minuten-Pause eingelegt werden, bevor man die nächste halbe Stunde weitermacht. Wer noch mehr Lernleistung erbringen soll, profitiert nach einer Stunde von einer Art „Hofpause“, bei der man 20-30 Minuten ganz anderen Dingen nachgeht und vielleicht sogar kurz das Haus verlässt.
Pausen bei Hyperaktivität
Hyperaktive, sehr lebhafte Kinder brauchen andere Pausenübungen, die zwar auch den Kreislauf aktivieren, aber nicht den Bewegungsapparat, z.B.:
• Greife unter die Sitzfläche und ziehe so fest nach oben, wie du nur kannst. Atme dabei locker fünfmal ein und aus. Dann schüttle die hängenden Arme kurz aus. Setze nun die Handballen seitlich von oben auf die Außenkanten der Sitzfläche und drücke dich ein wenig hoch, aber ohne vom Stuhl abzuheben. Atme dabei wieder fünfmal ein und aus.
… und bei Stress
Die folgende Übung hilft sogar, wenn ein Kind während der Klassenarbeit vor lauter Stress nicht mehr weiß, was es gestern noch wusste:
• Falte deine Hände. Liegt der Daumen der rechten oder linken Hand oben? – Falte die Hände auf, aber halte die Handflächen aneinander und die Finger steif. Verdrehe die Handflächen nun so gegeneinander, dass jetzt der andere Daumen oben liegt, und falte die Hände erneut, also ‚verkehrt‘, weil der andere Daumen oben liegt. Das fühlt sich zunächst ungewohnt an. –
• Knete die gefalteten Hände dreimal. Falte nun die Hände wieder normal und knete sie gleichfalls dreimal. – Falte und knete die Hände 20 x hin und her!
Um die Konzentration von Kindern grundsätzlich zu verbessern, sind Fördermaßnahmen auf mehreren Ebenen möglich:
• Spezielle Spiele wie „Differix“ oder „Schau genau“ (Ravensburger) fördern die Konzentration beim Tun („Funktionstraining“).
• Funktionstrainings nützen jedoch nicht viel, wenn Kümmernisse, Sorgen, familiäre Probleme, Ängste etc. ursächlich sind.
• Alle Spiele und Materialien, die die Sinne anregen, fördern auch die Konzentration: Puzzles und Memory, Gesellschaftsspiele, aber auch jedes Malen und Basteln, Bewegungsspiele an der frischen Luft, Toben, Klettern und Balancieren.
• Entspannungsübungen, Fantasiegeschichten und Traumreisen sind vor allem für die nervösen, ängstlichen oder offenkundig gestressten Kinder hilfreich.
Ist ein Kind jedoch grundsätzlich „konzentrationsschwach“ und erreicht fast nie die normale Aufmerksamkeitsspanne, ist gründliche Diagnostik in einer sozialpädiatrischen Abteilung (an größeren bzw. zentralen Kinderkliniken) erforderlich, um Ursachen und geeignete Fördermaßnahmen herauszufinden.
Detlef Träbert