Erfolgreich auf dem Gymnasium trotz Lese-Rechtschreib-Schwäche?
Betroffene Kinder und Jugendliche profitieren vom Nachteilsausgleich
Was haben Quentin Tarrantino, Robbie Williams und Starkoch Jamie Oliver gemeinsam? Sie alle haben Probleme mit dem Lesen und Schreiben bzw. bekamen sogar Legasthenie attestiert. Gleiches gilt auch für John Irving, der den wenigsten Teens bekannt sein wird – sicher aber ihren Eltern als weltweit erfolgreicher Schriftsteller. Heute müssen Kinder und Jugendliche wegen Legasthenie nicht mehr die Schule verlassen, sondern können trotz massiver Lese-Rechtschreibschwächen sogar das Gymnasium besuchen. Bambolino sprach dazu mit dem staatlichen Schulpsychologen Mathias Haselmann vom Clavius Gymnasium.
Dass Kinder mit massiven Problemen im Lesen und Schreiben erfolgreich das Gymnasium besuchen können, scheint auf den ersten Blick unmöglich. Wie kann es dennoch funktionieren?
Haselmann: Die Lese-Rechtschreibstörung und die Lese-Rechtschreibschwäche sind so genannte Teilleistungsstörungen. Das heißt, dass die Kinder bei normaler Leistungsfähigkeit Schwierigkeiten in einem Teilbereich haben. Um Kindern mit einer solchen Problematik bei entsprechenden Noten den Besuch eines Gymnasiums zu ermöglichen, wird ein sogenannter Nachteilsausgleich gewährt. Meist erhalten die Kinder diesen bereits in der Grundschule. In dem Nachteilsausgleich ist festgelegt, dass man je nach Schwere der Problematik auf die Bewertung des Rechtschreibens und des Lesens verzichten kann. Zudem ist es möglich, einen Zeitzuschlag in Prüfungen zu gewähren. In den Fremdsprachen am Gymnasium kann die mündliche Note stärker gewichtet werden. Der Nachteilsausgleich wird vom zuständigen Schulpsychologen vorgeschlagen. Die Genehmigung erteilt dann der Schulleiter.
Was sind die wichtigsten Schritte für betroffene Eltern auf diesem Weg?
Zunächst einmal sollte man schon in der Grundschule mit den Lehrern sprechen, wenn man Auffälligkeiten in der Rechtschreibung und beim Lesen wahrnimmt. Die Diagnostik führt dann zunächst der Schulpsychologe durch. Manchmal ist es auf Anraten des Schulpsychologen je nach Ausprägung notwendig, ein fachärztliches Gutachten einzuholen.
Am Clavius-Gymnasium, wie auch an den anderen Schulen, ist es dann üblich, die diagnostischen Ergebnisse und einen möglichen Nachteilsausgleich mit den Eltern zu besprechen. Der Schulleiter und die Lehrkräfte werden dann vom Schulpsychologen informiert.
Welche Unterstützung benötigen die betroffenen Kinder dabei?
Zunächst einmal ist es für betroffene Kinder wichtig, zu wissen, dass es auch viele andere Kinder mit derselben Problematik gibt. Hilfreich ist es auch, wenn die Eltern einen vertrauensvollen Kontakt zu den Lehrkräften zu pflegen. Auch der Schulpsychologe gibt den Eltern in der Beratung hilfreiche Hinweise zur Förderung. Unter Umständen kann es sinnvoll sein, eine außerschulische Förderung zum Beispiel bei einem Therapeuten zu beginnen.