Muss ein Wunsch sofort erfüllt werden?
Bambolino besucht einen Elterntalk zum Thema „Konsum“
Sich mit anderen Menschen, die mir völlig unbekannt sind, über die Erziehung und den Alltag meiner Kinder unterhalten? Das klingt spannend und so wollen wir nicht nur über das Projekt „Elterntalk“ berichten, sondern ihn auch selbst ausprobieren und daran teilnehmen. Also – auf nach Bischberg zur Elterntalk-Runde über das Thema „Konsum“. Ein Erlebnisbericht.Auf mein Klingeln öffnet eine junge Frau die Haustür des gemütlichen Einfamilienhauses in Bischberg – sie ist dieses Mal Gastgeberin für den Elterntalk. Gastgeberin heißt, die heutige Runde trifft sich bei ihr daheim, sie sorgt für Getränke und etwas Gebäck und schafft damit den entspannten Rahmen für ein ungezwungenes Gespräch. „Konsum“ heißt das Thema des zweistündigen Elterntalks, und mit mir am Tisch sitzen vier Mütter mit Kindern vom Kleinkind- bis zum Grundschulalter. Normalerweise sei die Runde größer, erzählt Martina Steck, aber zwei Mütter mussten dieses Mal absagen, weil die Kinder erkrankten. Martina arbeitet als Familienhebamme, ist Mutter von drei Kindern und hat sich als örtliche Elterntalk-Moderatorin für Bischberg ausbilden lassen. Sie hat zu dem Treffen eingeladen und alles organisiert, und sie ist es auch, die auf Eltern zugeht, um sie für das jeweilige Thema und einen Elterntalk dazu zu begeistern. „Ich bin im Elternbeirat von KiGa und Schule und versuche über diese Kontakte über den Elterntalk zu informieren bzw. hänge auch mal eine Einladung dazu an das Schwarze Brett.“ Auch für Zapfendorf, Oberhaid und Memmelsdorf/Lichteneiche gibt es Moderatorinnen wie Martina, die vor Ort einen regelmäßigen Elterntalk anbieten und andere Eltern dazu einladen teilzunehmen. Unterstützung erhalten sie dabei von der Regionalbeauftragten für den Elterntalk, Doris Böhner-Deinzer, die im Rahmen einer Teilzeitstelle seit Januar 2015 vom Landratsamt Bamberg damit beauftragt ist, das Projekt Elterntalk im Landkreis publik zu machen. Dabei hat sie auch den Kontakt zu Bambolino gesucht. Träger des Projekts ist die bayerische Aktion Jugendschutz, und die Bayerischen Ministerien für Arbeit und Soziales, Familie und Integration sowie für Gesundheit und Pflege sind die Geldgeber. Doch welche Idee steckt eigentlich hinter dem Elterntalk? Doris Böhner-Deinzer: „Die Erziehungsfragen, vor denen wir bei unseren Kindern stehen, sind alle ähnlich. Elterntalk bietet allen Familien mit Kindern zwischen 0-14 Jahren eine locker organisierte Gesprächsrunde zum gegenseitigen Austausch an. Wir wollen dabei keine Lösungen vorgeben, sondern schaffen nur einen günstigen Rahmen für das Gespräch, bei dem sich Eltern gegenseitig Ideen liefern und Erfahrungen mitteilen können.“
Mit mir am Tisch sitzen Jenny (33), Christine (40), Johanna (31), Martina (41) und – weil Bambolino dabei ist – dieses Mal auch Doris Böhner-Deinzer (53) für die nötigen Hintergrundinfos. Den Ablauf steuert Moderatorin Martina: Nach einer kleinen Vorstellungsrunde legt sie Fotokarten aus, deren Bildmotiv sich auf das Thema „Konsum“ bezieht. Jede von uns darf sich ein Kärtchen aussuchen und dann erzählen wir reihum, warum wir gerade dieses Motiv gewählt haben. Meine Karte zeigt einen Stapel hübsch verpackter Geschenke, der mich mit Blick auf das anstehende Weihnachtsfest und den zugehörigen Wunschzettel meines Sohnes angesprochen hatte. „Wo liegen die finanziellen Grenzen für Geschenke?“, ist einer meiner Gedanken dazu. Und – „Wie gehe ich mit Wünschen um, die ich nicht erfüllen kann?“ Auch Christine kann dazu ein Erlebnis mit ihren Töchtern vom Weihnachtsfest im letzten Jahr erzählen, als ihre liebevoll verpackten Überraschungen nicht die erhoffte Freude auslösten. „Mich hat die Hemmungslosigkeit ihrer Wünsche schockiert und dass ich für meine mit Liebe ausgedachten und vorbereiteten Geschenke überhaupt keine Wertschätzung spüren konnte.“ Gemeinsam überlegen wir, wie mit solchen Situationen umzugehen ist. „Die Kinder setzen sich hin und warten ab: Was wird mir präsentiert?“, ergänzt Martina, Mutter von fünfjährigen Zwillingen und einer siebjährigen Tochter. „Versorg mich“ steht als Aufforderung hinter dieser Konsumhaltung, die inzwischen auch schon Kindergartenkinder verinnerlicht haben, wenn sie gezielt nach hochwertigen und teuren Marken fragen. Die Moderatorin berichtet von einem Einkauf im Schuhgeschäft mit ihren Kindern, der sich für sie zu einem kleinen Alptraum entwickelte. „Der eine wollte plötzlich unbedingt teure Crocs, die wir eigentlich gar nicht brauchten, und während ich mit ihm noch diskutierte, schleppte meine Tochter bereits ein paar ebenfalls recht hochpreisige Stiefel an, die sie zum Ausgleich geschenkt haben wollte.“ Als das Ganze in eine turbulente Szene mit Wutanfall und Geschrei ausartete, habe sie schließlich nachgegeben und die gewünschten Schuhe gekauft. „Darüber ärgere ich mich noch heute, aber ich wusste mir in dem Moment einfach nicht anders zu helfen.“ Dass eine solche Lage mit mehreren Kindern ungleich schwieriger zu bewältigen ist, liegt auf der Hand. Doch auch mit nur mit einem Kind können Eltern beim Einkaufen in heikle Situationen geraten. Eine andere Mutter erzählt, wie ihr Nachwuchs im Urlaubsort eine teure Boutique mit coolen Klamotten entdeckte. Sie gingen hinein, und der Sohn wurde schnell fündig. Schnell drohte aus dem „eben mal gucken kurz vor Ladenschluss“ ein 200 Euro Einkauf zu werden. Die Mutter rettete in der Situation ihr nachdrücklich formulierter Satz: „Heute kaufen wir nichts, sondern schauen erst mal. Wenn wir daheim in Ruhe überlegt und gerechnet haben, können wir morgen wieder kommen und Sachen kaufen.“ Im Feriendomizil setzten sich Mutter und Sohn zusammen und schrieben auf, welche der Sachen er sich unbedingt wünschte und worauf er auch verzichten könnte. Die Mutter erklärte, dass in der Urlaubskasse kein Extra-Geld für Modeeinkäufe vorgesehen war. Sie rechneten aus, wie viel alle Teile insgesamt kosten würden und wie viel er von seinem Urlaubsgeld beisteuern konnte. „Wir stellten sozusagen einen Finanzierungsplan für die Klamotten außer der Reihe auf.“ Gut gelöst – lobt Doris diesen Ansatz und gibt einen Satz in die Runde, den ich mir als wichtigste Erkenntnis aus diesem Elterntalk-Vormittag mit nach Hause nehme: „Wichtig ist, dass die Kinder das Gefühl haben, dass wir ihre Wünsche aufgreifen und vor allem auch ernst nehmen. Ablenkungsmanöver oder Hinhaltetaktiken sind deshalb der falsche Weg.“ In ihrem Elterntalk-Buch hat Moderatorin Martina zu jeder Karte auch noch Hinweise, wie z.B. jenen, dass hinter jedem geäußerten Wunsch immer ein Bedürfnis stecke und dass es für Eltern viel entscheidender sei, genau darauf zu achten als jeden Wunsch tatsächlich zu erfüllen.
Auch die Gestaltung von Kindergeburtstagen ist eines der Konsumthemen beim Elterntalk. Jenny erzählt, dass sogar ihr dreijähriger Sohn bereits ein Bewusstsein dafür hat, wie und wie oft er feiern kann und von wem er Geschenke zu erwarten hat. Hier kann Christine Tipps geben, die als allein erziehende Mutter zwar kein großes Budget für aufwändige Partys hat, aber ein Händchen dafür, mit ihren Mädels zu werkeln und sich Spiele zu überlegen. „Wir haben aus einem großen Karton vom Fahrradgeschäft eine tolle Burgkulisse gebaut, und damit im Hof ein lustiges „Ritter- und Prinzessinnenfest“ gefeiert. Schon die Vorbereitung zusammen hat viel Spaß gemacht und alle Kinder waren begeistert.“ Wir besprechen miteinander die inzwischen hohen Maßstäbe für Kindergeburtstage, zu denen oft auch teuer gefüllte Mitgebsel-Tüten gehören. Interessant ist, dass wir alle – trotz unterschiedler Herkunft, Berufe und Familiensituationen – diese Entwicklung gleich kritisch sehen und uns eigentlich alle weniger Aufwand und Kosten dafür wünschen.
Die zwei vorgesehenen Stunden für den Elterntalk gehen viel zu schnell vorbei. Aus dem anfangs noch zurückhaltenden Umgang miteinander hat sich schnell ein ungezwungenes Miteinander und ein inhaltlich wertvolles Gespräch entwickelt. „Ich schätze am Elterntalk die gewisse Distanz, mit der man miteinander umgeht“, findet Johanna. „Wenn ich solche Sachen mit meinen Verwandten bespreche, kommen sofort Urteile, was ich alles verkehrt mache und Ratschläge, wie es besser geht. Das ist hier ganz anders.“ Man brauche die Bereitschaft, sich auf die anderen Eltern einzulassen und ein bisschen von sich preiszugeben, antwortet Doris auf die Frage, ob der Elterntalk für alle Mütter und Väter geeignet sei. „Leider nehmen bisher nur wenige Männer teil – die Vater-Sicht ist noch mal eine ganz andere und würde das Gespräch sicherlich ganz neu befruchten.“ Auch Christine, die schon an mehreren Talkrunden teilgenommen hat, überzeugt das Konzept. „Es gibt keine Klugscheißer-Sprüche von oben herab, sondern wir sitzen alle in einem Boot. Für mich als Solo-Mutter ist dieser Austausch total hilfreich, weil mir einfach oft ein Ansprechpartner bei den vielen Erziehungsfragen fehlt.“
Kerstin Bönisch
Mehr Infos unter: www.elterntalk.net/
Kontaktstelle im Landkreis Bamberg: Doris Böhner-Deinzer, Tel. 09503 / 5408
eMail: dbd-elterntalk@gmx.de