Ein offenes Ohr für Menschen und Musik
Der Trossenfurter Kaufmann Eric Sauer liebt nicht nur Lebensmittel
Als bekennenden FC St. Pauli-Fan fällt mir spontan nur der Münsteraner Tatort-Kommissar Thiel im schwarzen Totenkopf-T-Shirt ein. Bei Eric Sauer ist es eine schwarze St. Pauli Kappe, mit der er täglich seinen Trossenfurter Markt öffnet. Wenn er dann noch zur Begrüßung ein freundliches „Moin“ loslässt, steigen bei einer langzeit-emigrierten Norddeutschen echte Heimatgefühle auf…
Heimat und Verbundenheit spüren viele in der quirligen Atmosphäre des kleinen Nah-& Gut-Supermarktes in der Gemeinde Oberaurach, den der gebürtige Reichmannsdorfer Eric Sauer vor 25 Jahren vom Vater übernommen hat. Das liegt nicht nur an den kleinen Dörfern der Gemeinde Oberaurach oder daran, dass „der Sauer“ der einzige Nahversorger-Markt im Radius von sechs Kilometern ist. Das Einkaufswohlgefühl, das viele Supermärkte mit ausgefeilten Strategien und Musik vom Band zu kreieren versuchen, gibt’s hier einfach so. Mit einem freundlichen Hallo beim Eintreten und einer Nähe, die man nicht kaufen kann. Die zwölfköpfige Belegschaft stammt größtenteils aus Oberaurach, Fluktuation gibt es kaum. Musik gibt’s auch – manchmal.
„Gleich morgens um sieben oder am frühen Abend, wenn Ruhe einkehrt, lege ich gern mal
eine CD ein“, lächelt der 59-Jährige Eric. Zu seinen Lieblingsbands gehören neben den Stones, Beatles oder Crosby, Stills & Nash auch Alternative etwa von Queens of the Stone Age oder REM. An der Kasse sitzt er meistens selbst – mit seiner obligatorischen St. Pauli-Mütze. „Das ist mein Geschäftsoutfit“, grinst er und verrät, dass er das gute Stück in dreifacher Ausfertigung besitzt. „Natürlich bin ich ein echter St. Pauli-Fan“, erklärt er den Hintergrund. „Wir waren 2008 in Hamburg bei einem Spiel gegen Osnabrück und haben da so viele nette Menschen kennen gelernt – das war eine ganz einzigartige Atmosphäre in diesem Stadion.“
Trotz umfangreicher Discounter Präsenz in den nahegelegenen Industriegebieten hat der kleine Laden in Trossenfurt regelmäßig seine Stoßzeiten, zu denen nicht nur am Wochenende parkende Autos die Straße säumen und sich an beiden Kassen lange Schlangen bilden. Wer hier wartet, tauscht sich gerne einmal mit den Umstehenden über Kochrezepte oder das Fernsehprogramm aus oder bleibt gleich hinten am kleinen Kaffeeautomat und plauscht mit Bekannten, bis der größte Ansturm vorbei ist. Wenn gerade nicht so viel los ist, erzählt mancher Eric auch schnell von den kleinen oder größeren Nöten, die ihn beschäftigen. Der Kaufmann ist ein Menschenfreund: „Ein offenes Ohr für die Menschen zu haben, gehört zu meiner Arbeit dazu, und die Leute haben Vertrauen zu mir.“ Manchmal werden auch schwierige Fälle mit den Waren über das Kassenlaufband geschoben oder ein echtes Geheimnis. Bei dem freundlichen Mann mit der FC St. Pauli-Mütze ist beides gut aufgehoben. „Ich höre es mir an und sag auch was dazu. Manchmal lasse ich nur erzählen.“ Wer als Neuling die Warenpalette beim „Sauer“sondiert, ist überrascht, was sich in den eng stehenden Regalen alles entdecken lässt.
Neben einer breiten Auswahl an täglichen Lebensmitteln und günstigen Angeboten finden sich auch Waren, die man in der Tante-Emma-Atmosphäre so nicht erwartet. Grüne Currypaste und weitere Must haves für die Asia-Küche gibt’s bei Eric genauso wie eine gut sortierte Auswahl von erstklassigem Whisky und Wein und – köstliche Käsesorten. „Ich liebe Käse, vor allem den aus der Schweiz, und natürlich habe ich leckere Sorten im Laden“, feixt er. „Die Leute sollen hier gut einkaufen können und bekommen, was sie brauchen und glücklich macht.“ Dazu gehören auch günstige Preise, ein kostenloser Lieferservice für alle, die nicht mehr gut zu Fuß sind, lange Öffnungszeiten und ein Cashpool-Service, seit die letzte Sparkassen-Filiale in der Gemeinde geschlossen wurde. Seit mehr als 44 Jahren arbeitet Eric in dem Trossenfurter Markt, wo er schon als Teenager seinem Vater half.
„Das ist kein Job, das ist das Leben“, murmelt er. Sein Wohnhaus liegt unmittelbar neben dem Geschäft – hier lebt der engagierte Kaufmann mit seiner Frau Renate und Sohn Simon. Tochter Corinna wohnt nur ein paar Schritte weiter – als Einjährige war sie der Auslöser für die zweite große Leidenschaft von Eric Sauer, dem Gitarrenspiel. „Es gab damals eine Wette, ob ich es schaffe, den Dylan-Song „Corinna, Corinna“ zu ihrem ersten Geburtstag zu spielen“, erzählt er. Seitdem besitzt er nicht nur mehrere Gitarren, sondern trifft sich mit vier Kumpels einmal im Monat zu einer Session unter seinem Laden: „Wir sind eine echte Kellerband und spielen einfach nur so, für unseren Spaß.“ Coole Musik möchte er auch den Jüngsten in der Gemeinde nahebringen, wenn er mit seiner Nichte beim jährlichen Kinderfasching als DJ ans Mischpult tritt. „Gute Musik macht glücklich – das können Kinder gar nicht früh genug erleben“, grinst er und greift zur Gitarre…