
Immer wieder gibt es in der Familie Streit um Taschengeld, Hausaufgaben oder Ausgehzeiten. Aber wie sind eigentlich die juristischen Grundlagen – was sind die Pflichten und was die Rechte von Eltern und von Kindern? Diese spannenden Fragen haben wir Julia Stammberger von der Bamberger „Familien-Kanzlei“ gestellt und waren zum Teil überrascht über ihre Antworten. Ein Muss für alle, die rechtlich auf der sicheren Seite sein wollen – und dabei die Balance zwischen Verantwortung und Freiheit finden wollen, um die Selbstständigkeit ihrer Kinder zu fördern.
Muss das Kind zur Schule?
Ja, jedes Kind muss zur Schule gehen, da es in Deutschland eine gesetzliche Schulpflicht gibt. Diese beginnt in Bayern in der Regel für alle Kinder, die bis zum 30.06. eines Jahres 6 Jahre alt werden. In Bayern besteht Schulpflicht für zwölf Jahre (Art. 35 Abs.2 BayEUG), hierbei zählen die Schulbesuchsjahre, nicht die Jahrgangsstufen. Die Schulpflicht gliedert sich in die Vollzeitschulpflicht (neun Jahre) und die Berufsschulpflicht (drei Jahre). Nach der Vollzeitschulpflicht ist der Besuch der Berufsschule verpflichtend, soweit keine andere Schule besucht wird. Homeschooling ist in Deutschland nicht erlaubt.
Muss das Kind Hausaufgaben machen oder lernen?
Ja, Kinder sind verpflichtet, Hausaufgaben zu machen, um Lernstoff einzuüben und selbstständiges Arbeiten zu lernen. Die Hausaufgaben müssen aber so gestellt werden, dass sie bei durchschnittlichem Leistungsvermögen in angemessener Zeit bearbeitet werden können. An Grundschulen etwa gilt eine Stunde als angemessen, aber nicht an Tagen mit verpflichtendem Nachmittagsunterricht. Sonn- und Feiertage sowie Ferien sind von Hausaufgaben freizuhalten.
Gibt es ein Recht auf Taschengeld?
Nein, es gibt für Kinder keinen gesetzlichen Anspruch auf Taschengeld. Eltern können frei entscheiden, ob und wie viel Taschengeld sie ihrem Kind geben. Aber Taschengeld ist natürlich wichtig, damit Kinder lernen, mit Geld umzugehen und unabhängig zu werden. Es gibt Empfehlungen der Jugendämter zur Höhe des Taschengeldes.
Was dürfen Kinder kaufen?
Kinder unter sieben Jahren sind gemäß § 104 BGB nicht geschäftsfähig und können daher keine Verträge abschließen – also alleine nichts kaufen. Im Alter von sieben bis 17 Jahren sind sie dann beschränkt geschäftsfähig: Sie können mit vorheriger Einwilligung oder mit nachträglicher Genehmigung der Eltern nahezu alles kaufen, sofern es altersgerecht und für Kinder und Jugendliche freigegeben ist. Die Eltern müssen nicht dabei sein. Wenn vor dem Kauf keine Einwilligung der Eltern vorliegt, hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der nachträglichen elterlichen Genehmigung ab.
Dazu gibt es aber noch den „Taschengeld-Paragrafen“, § 110 BGB. Danach kann ein Minderjähriger ohne Zustimmung seiner Eltern etwas kaufen, wenn er es Taschengeld bezahlt oder mit Geld, das er von Dritten bspw. Oma/Opa mit Zustimmung seiner Eltern zur freien Verfügung bekommen hat. Eine Einwilligung oder Genehmigung der Eltern ist dann nicht erforderlich, der Kaufvertrag ist von Anfang an wirksam.
Darf das Kind Freunde einladen?
Offiziell haben Eltern daheim das Hausrecht. Wenn sie nicht wollen, dass bestimmte Freunde zu Besuch kommen, dann kann das Kind diese nicht einladen. Eltern haben auch ein Umgangsbestimmungsrecht, dürfen also auch allgemein den Umgang des Kindes mit Bekannten verbieten. Inwieweit das natürlich sinnvoll ist und sich in der Praxis umsetzen lässt, ist fraglich.
In welchem Alter und wie spät bzw. wie lange darf ein Kind abends raus?
Hierzu gibt es keine genauen gesetzlichen Vorgaben. Grundsätzlich müssen Eltern ihrer Aufsichtspflicht nachkommen – das heißt aber natürlich nicht, dass sie ihre Kinder rund um die Uhr beaufsichtigen müssen. Vielmehr können Eltern bei ihrem Kind individuell beurteilen, welche Ausgehzeiten sie für richtig halten und welches Maß an Eigenverantwortung sie ihrem Kind zutrauen. Empfohlene Ausgehzeiten (etwa des Bayerischen Landesjugendamts) für Jugendliche sind ab 14 Jahre bis längstens 22 Uhr, ab 15 bis 23 Uhr und ab 16 bis 24 Uhr. Für bestimmte Orte wie Kinos, Gaststätten, Clubs usw. gelten Regelungen des Jugendschutzgesetzes:
ab 14 Jahren bis längstens 22 Uhr
ab 15 Jahren bis längstens 23 Uhr
ab 16 Jahren bis längstens 24 Uhr
Der Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen in der Öffentlichkeit ist lediglich für bestimmte Orte durch das Jugendschutzgesetz geregelt. Hier gilt folgendes:
Veranstaltung Alter Uhrzeit Hinweise
Kino
unter 14 Jahre bis 20 Uhr (Film muss um 20 Uhr zu Ende sein)
ab 14 bis unter 16 Jahre, bis 22 Uhr (Film muss um 22 Uhr zu Ende sein)
ab 16 bis unter 18 Jahre, bis 24 Uhr (Film muss um 24 Uhr zu Ende sein)
Gaststätte
unter 16 Jahre – bis 23 Uhr – mit personensorgeberechtigter oder erziehungsbeauftragter Person zeitlich unbeschränkt
unter 18 Jahre, bis 24 Uhr – mit personensorgeberechtigter oder erziehungsbeauftragter Person zeitlich unbeschränkt
Disco / Club / „öffentliche Tanzveranstaltung“
unter 16 Jahre – bis 22 Uhr – nur mit personensorgeberechtigter oder erziehungsbeauftragter Person
Ausnahmen bei Tanzveranstaltungen von anerkannten Trägern der Jugendhilfe oder die der künstlerischen Betätigung/Brauchtumspflege dienen (unter 14 bis 22 Uhr, unter 16 bis 24 Uhr)
unter 18 Jahre – bis 24 Uhr – mit personensorgeberechtigter oder erziehungsbeauftragter Person, ist ein unbegrenzter Aufenthalt möglich, ein volljähriger FreundIn ist nicht ausreichend
Konzert
Keine ausdrücklichen Vorgaben durch JuSchG, es ist aber eine Erlaubnis der Eltern notwendig
Der Aufenthalt in Nachtbars und Nachtclubs sowie in öffentlichen Spielhallen ist Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren grundsätzlich verboten.
Bei privaten Veranstaltungen oder Treffen, also beispielsweise einer privaten Party, gelten die zeitlichen Einschränkungen des Jugendschutzgesetzes nicht. Hier ist es Sache der Eltern zu entscheiden, bis wann die Kinder ausgehen dürfen.
Dürfen Kinder alleine zu Hause gelassen werden?
Auch hier gibt es keine genauen Vorgaben. Die Eltern müssen ihrer Aufsichtspflicht nachkommen, aber ihre Kinder nicht ununterbrochen beaufsichtigen. Sie sollten jedoch die wachsenden Fähigkeiten und Bedürfnisse ihrer Kinder zu selbstständigen und verantwortungsbewussten Handeln berücksichtigen. Empfehlungen der Bundeskonferenz für Erziehung geben unverbindliche Empfehlungen: Kinder unter drei Jahren sollten niemals alleine gelassen werden, ab drei Jahre eventuell 10–30 Minuten, wenn sie sich in einer sicheren Umgebung aufhalten. Ab sechs können Kinder eventuell schon ein bis zwei Stunden alleine zuhause verbringen. Dabei sollten Eltern klare Absprachen für diese Zeit treffen und etwa telefonisch erreichbar sein.
Fragen Arnd Rüttger
Unsere Expertin: Die Rechtsanwältin Julia Stammberger hat selbst drei Kinder. Sie ist auf Familienrecht spezialisiert. Die Familienkanzlei Bamberg bietet umfassende Beratung und Vertretung im Familienrecht sowie in Arbeits- und Sozialrecht. Das Team aus erfahrenen Anwältinnen setzt sich mit Empathie und Fachwissen für die Interessen ihrer Mandanten ein, um bestmögliche Lösungen zu finden.
www.familienkanzlei-bamberg.de